Hans Küng über die Reinkarnation
Zitat aus dem Buch Werden wir wiederkommen? von Norbert
Bischofberger, Grünewald, Mainz / Kok Pharos, Kampen, 1995, S. 235-236:
„Hans Küng lässt die
Frage der Vereinbarkeit beider Positionen [Vereinbarkeit von Reinkarnationsglauben
mit dem Christentum, oder nicht] offen. In seiner Schrift ‘Ewiges
Leben?’ meint er zwar, dass eine
denkerische Vermittlung zwischen der Vorstellung von einem einzigen irdischen
Leben und derjenigen von mehreren Leben unmöglich und eine Entscheidung
zwischen beiden unumgänglich scheine; er kommt jedoch zum Schluss: ‘Aber die Frage muss hier noch offen bleiben;
denn die Alternative ist noch nicht deutlich geworden: Welche der beiden
Erklärungen – hinsichtlich eines oder mehrerer Leben nach dem Tod – ist
plausibler? Für traditionelle Christen ist die Wahl rasch getroffen, für andere
vielleicht weniger.’ Küng nennt
verschiedene religiöse und weltanschauliche Kontexte der Reinkarnationsidee,
führt dann aber Argumente pro und kontra ‘Reinkarnation’ im Allgemeinen an. Er folgert, dass ‘sehr gewichtige Gründe’
gegen die Reinkarnation sprechen. Küng
fragt aber auch: ‘Wird die christliche
Fegefeuer-Lehre nicht durch einen ähnlichen Gedanken an ein zweites Leben
bestimmt, dem dann gewissermaßen ein drittes folgt (,ewiges Leben’), wenngleich
diese ,Leben’ in überirdischen Regionen angesiedelt sind?’ In seinem späteren Werk ‘Christentum und Weltreligionen’
nimmt er in der Auseinandersetzung mit
der hinduistischen Reinkarnationslehre eine offenere Position ein. Zwar bleibt
es bei der deutlichen Differenz zwischen dem Glauben an ein einziges Leben und
der Vorstellung von mehreren Erdenleben und den gewichtigen Gründen gegen die
Reinkarnationsidee. Küng stellt jedoch explizit die Frage, ob die
Reinkarnationslehre nicht in den christlichen Kontext integriert werden könnte.
Dabei denkt er an andere Vorstellungen, die vom christlichen Glauben im Laufe
der Geschichte etwa aus dem griechisch-hellenistischen Kontext übernommen
wurden. Küng erklärt, dass eine Integration neuer Lehren in die christliche
Tradition keinesfalls ausgeschlossen werden dürfe. … ‘Wegen der verschiedener anthropologischen Voraussetzungen bräuchte
zwischen Christentum und Hinduismus nicht notwendig Streit herrschen’.”
„DS: Reinkarnation: ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen
christlichem und asiatischem Glauben?
Küng: Ganz grundsätzlich gehe ich davon aus, dass die Glaubensauffassungen im
Allgemeinen höchst verschieden sind. Das betrifft vor allem den gewaltigen Unterschied
zwischen dem nahöstlich-semitischen Stromsystem und jenem indischen Ursprungs.
In Indien ist es selbstverständlich, dass alles wiederkehrt. Das gilt für den
Einzelnen wie für die Geschichte. Diese zyklische Wiederkehr ist in der indischen
Welt ein Dogma, das niemand in Frage stellt. Das zu verbinden mit der progressiven
Geschichtssicht der Bibel ist nicht möglich. Ich persönlich schätze es auch
nicht, dass sich jemand einen persönlichen Cocktail mischt. Ganz nebenbei: Es
ist auch nur eine westliche Vorstellung, dass die Wiederkehr meist glücklich
sei.“
Es ist eine „westliche
Vorstellung“ – bedeutet das, dass sie auch falsch sei? „Meist“ ist wohl übertrieben,
aber die Wiederkehr kann auch glücklich sein. Das sagen die
östlichen Lehren ebenfalls aus. Dass eine Reinkarnation in ein zumindest
relativ glückliches Leben führen kann, ist eine empirische Erfahrungstatsache
aus Rückerinnerungen, auch wenn es im neuen Leben jedoch oft darum geht, Lektionen
zu bekommen, die nicht immer angenehm und manchmal sogar leidvoll sind.
Die zyklische Wiederkehr als eine Aufwärtsspirale der seelischen
Entwicklung betrachtet ist mit der progressiven Geschichtssicht der Bibel doch
noch vereinbar. Persönliche Cocktails ist eine Sache, ein sich stetig
erhärtendes und an Indizien wachsendes empirisches Weltbild von immer mehr und ständig
reproduzierbaren persönlichen Erfahrungen, worin sich doch noch beides zunehmend
als vereinbar zu erweisen scheint, ist eine andere.
KOMMENTARE
ZU ZWEI BÜCHERN
Es wird eine
interessante Taktik verwendet. Zuerst wird kurz beschrieben, welche
Vorzüge die
Reinkarnationslehre hat, wozu sie gut ist und was für Probleme sie lösen könne, dann folgt
eine Reihe von Gegenfragen, die dieses Postulat wieder abbauen sollen. Darunter
sind Gegenfragen, die eigens für diesen Zweck konstruiert zu sein scheinen und
deshalb zur Diskussion kaum etwas beitragen. Aus:
Hans Küng: Ewiges Leben? Piper, München
6. Aufl. 1996 Zitate
mit Antworten und Kommentaren. „Es
ist unbestreitbar, dass sich hinter der Reinkarnationslehre vor allem die religiös-historische
Frage nach einer gerechten, moralischen Weltordnung verbirgt. … Eine
wahrhaft moralische Weltordnung setzt die Vorstellung eines Lebens vor dem jetzigen Leben notwendig voraus. Denn wie können
Chanceungleichheiten unter Menschen, die verwirrende Verschiedenheit moralischer
Anlagen und individueller Schicksale befriedigend erklärt werden, wenn man
nicht annimmt, dass der Mensch im früheren Erdenleben durch seine guten oder bösen
Taten sein jetziges Schicksal selbst verursacht hat? Andernfalls müsste ich
alles dem blinden Zufall zuschreiben oder einem ungerechten Gott, der die Welt
so werden ließ, wie sie nun einmal ist. Reinkarnation oder Wiedergeburt also
zur Aufklärung des Menschen über sich selbst, seine Herkunft und Zukunft, und
zur Rechtfertigung Gottes! Das Theodizeeproblem wäre gelöst … So
einleuchtend diese Position auf den ersten Blick scheint, so drängen sich doch Gegenfragen
auf: 1.
Kann mein jetziges Schicksal wirklich durch ein früheres Leben befriedigend
erklärt werden? Auch dies müsste ja wieder durch ein noch früheres erklärt
werden, sodass die Kette von Wiedergeburten in infinitum käme, was letztlich
nichts erklärt …”
Antwort:
So wie es bereits die gnostischen Christen lehrten, hatte alles einen Anfang
in der Lichtwelt Gottes. Wir waren da schon erschaffen, aber als geistige Wesen
ohne physische Körper. Diejenige von uns, die da heraus wollten und deshalb
inkarnierten, hatten in
einer ersten Inkarnation natürlich noch kein Karma. Da wir aber in
Hinsicht auf Liebe und Einsicht noch unentwickelt waren, verfielen wir leicht der
Versuchung, egoistisch zu handeln. Damit fing erst das individuelle Karma an. „2.
Vorausgesetzt aber, man hält als Reinkarnationsgläubiger mit der jüdisch-christlichen-islamischen
Tradition an einen Anfang durch Gottes Schöpfung fest [eben …]: Wie ist dieser Uranfang zu denken, der noch ein zweites
Leben erforderlich macht und doch nicht den Schöpfer dieses offenkundig missglückten
Geschöpfes belasten soll? Ist also das Theodizeeproblem reinkarnatorisch
wirklich gelöst?”
Antwort:
Die gnostischen Christen lehrten auch, dass wir diesen Weg gehen wollten,
weshalb unsere damalige Wahl Gott nicht belastet. Er hatte uns ja den freien
Willen dazu gegeben. Dass wir dann als Konsequenz unserer Wahl aber auch die
Folgen unserer Taten nicht entgehen können, sondern dies in Kauf nehmen müssen,
bietet eine mögliche Lösung des Theodizeeproblems. „3.
Wenn unsere moralischen Anlagen durch Wiedergeburt erklärt werden: Verfällt
man dann nicht einem geschichtslosen Individualismus, der weithin übersieht,
was uns ganz konkret nicht aus einem postulierten Vorausleben zukommt, sondern
vermittelt wird durch biologische Erbe, die frühkindliche Formung unseres
Bewusstseins und Unbewussten …?”
Antwort:
Hier wird übersehen, dass Erbe und frühkindliche Umstände (in die wir
hineingeboren wurden) gerade zu den (positiven oder negativen) Auswirkungen des
Karmas gehören können. Deshalb ein solches Erbe, deshalb eine solche Kindheit… „4.
Wenn im Allgemeinen ein radikales Vergessen des früheren Lebens angenommen
werden muss, wird dann die Identität eines Menschen gewahrt, und hilft es mir
tatsächlich zu wissen, dass ich schon einmal gelebt habe, wenn ich dieses Leben
doch ganz und gar vergessen habe?”
Antwort:
Küng vergisst leider, wie so viele, dass der Mensch ein unbewusstes
Ich hat, wie es die Psychologie seit mehr als einem Jahrhundert klar gezeigt
hat. Im unbewussten Ich wissen wir sehr wohl Bescheid, nur nicht im rationalen
Verstand. Wenn uns das bewusst wird, was bereits in unbewussten Ich verborgen
liegt, kann dies sehr hilfreich sein, um gewisse Probleme zu lösen und unser
Leben besser zu verstehen. Die Identität des Menschen ist die Summe seiner
Erfahrungen (heute unbewusst gewordene Erfahrungen mit eingeschlossen), nicht nur in diesem Leben. „5.
Lässt es die Reinkarnationslehre nicht schließlich an Respekt fehlen vor dem
Geheimnis der Gottheit, der man eine gerechte und barmherzige Zuteilung und
Beurteilung von Schicksal und Leid nicht zutraut? Das harte Kausalitätsgesetz
des Karman statt die Liebe Gottes, die in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gute
wie böse Taten umgreift?”
Antwort:
Die Reinkarnation ist doch ein Geheimnis Gottes, wodurch er Schicksal und wenn nötig
Leid (als lehrreiche Erfahrung, nicht als Strafe) uns gerecht zukommen lässt. Seine Barmherzigkeit lässt uns Leben
wiederholen, bis wir es „schaffen”, statt dass die Mehrheit von uns (denn so
wie die Welt aussieht, wäre es zweifelsohne die Mehrheit…) in eine ewige
Verdammnis gerieten, die Gottes Liebe wirklich infrage stellen würde? Damit lässt
er böse Taten überwunden werden. „…
Eine wahrhaft moralische Weltordnung setzt die Vorstellung eines Lebens nach diesem Leben notwendig voraus, denn wie soll es zu
dem von so vielen Menschen mit recht erwarteten sühnenden Ausgleich der Taten
(man denke an die Mörder und ihre Opfer!) wie auch zur Entwicklung der
notwendigen ethischen Vollkommenheit im Leben eines Menschen kommen, wenn ihm
nicht die Gelegenheit zu einem weiteren Leben gegeben wird?… Aber
auch hier stellen sich Gegenfragen …: 1.
Verkennt die Forderung nach einem sühnenden Ausgleich in einem anderen
geschichtlichen Leben nicht den Ernst der Geschichte, die nun einmal in ihrer
Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit liegt, so dass alles, was einmal versäumt
wurde, nie wiederkehren kann?”
Antwort:
Merkwürdige Gedanken… Es ist doch klar, dass das, was war, sich unter neuen Umständen
genügend ähnlich wiederholen kann, und zwar so, dass dabei zumindest einige der
gleichen Seelen wieder beisammen sind, vielleicht sogar mit getauschten Rollen,
um letztendlich zur Versöhnung untereinander zu kommen. Das ist doch keine
logische Gegenfrage… „2.
Gibt es nicht Störungen der Weltordnung, die durch keine menschliche Tat je
wieder rückgängig gemacht werden können … ?”
Antwort:
Sicher gibt es das, aber es geht ja nicht um rückgängig zu machen, sondern um
daraus für die Zukunft zu lernen! Entweder sind solche Störungen ohne
menschliche Taten entstanden, aber um solche kann es ja hier nicht gehen, oder
sie sind durch menschliche Taten entstanden, und aus den Folgen lernen dann die betroffenen Seelen, solches nicht zu wiederholen. Gegenfrage
3 bezieht sich auf die buddhistische Auffassung von Seelenlosigkeit des
Menschen, aber das gehört ja nicht hierher! Buddhismus in aller Ehre, aber mit
ihr haben wir hier nicht zu tun und die Gegenfrage ist deshalb keine, sondern
tanzt aus der Reihe.
„Wenngleich
eine Integration neuer Lehren in die christliche Tradition nicht von vornherein
ausgeschlossen werden kann, so sind doch folgende Einwände
ernsthaft zu überlegen: … dass die menschliche Seele (wenn sie nicht überhaupt
nur anfangslose Emanation aus dem Göttlichen ist) als eine vom Leib unabhängige
Substanz zu verstehen sei, die allen Untergang des menschlichen Lebens überdauere
…” Dies
widerspricht ja nicht die Reinkarnationslehre, sondern eher im Gegenteil, wird
aber von Küng im Zusammenhang mit dogmatischen Deutungen von Gegebenheiten im
Neuen Testament herangezogen, die man nu wirklich auch anders deuten kann (erst
recht in der altgriechischen Textversion, die uns unterschlagene mögliche
Übersetzungsalternative bietet!) und es
die gnostischen Christen auch getan haben. „…
dass es – wie eine Seele nach dem
Leib – auch eine Seele vor dem Leib
gäbe. Sowohl
die Annahme der Präexistenz wie die Postexistenz einer separaten, vom
leiblichen Substrat unabhängigen Seelensubsztanz entspricht weder unseren
Erfahrungen noch den Ergebnissen heutiger Medizin, Physiologie und Psychologie
…” Wie
wenn jene materialistische und eher atheistische Schulwissenschaft in der Lage wäre,
das Rätsel zu lösen, da sie eindeutige Erfahrungen wie z.B. Nahtoderlebnisse
nicht gelten lassen will… „…
keiner der – zumeist von Kindern und aus Ländern des Reinkarnationsglaubens
stammenden – Berichte über eine Erinnerung an ein (!) früheres Leben konnte
verifiziert werden …” Da
widerspricht Küng entweder in taktischer Unwahrheit oder in Unwissenheit u.a.
die umfassenden anerkannten Forschungsergebnisse des Ian Stevenson, die solches klar erwiesen
haben, auch in Europa und Amerika. „Entweder:
Alles Leben dreht sich unendlich im Kreis … Oder:
die Geschichte zumindest des Menschen … ist ausgerichtet auf das, was schließlich
die Erfüllung des Menschenlebens ausmacht … Nirwana … oder Eingehen in
Gottes Himmel …”
Oder
in
einem gewissen Sinne beides: Das
Leben dreht sich in einer Aufwärtsspirale,
die in der göttlichen Welt endet. „Entweder hat der Mensch zur Reinigung … durch mehrere Erdenleben
zu wandern … Oder aber des Menschen
Schicksal entscheidet sich unwiderruflich in diesem Erdenleben …” Wie
könnte das Letztere gerecht sein? Wie wäre es mit Gottes Liebe vereinbar?
Durch eine endliche Verirrung und
Fehlentscheidung (in einem Leben, das fast immer weniger als 100 Jahre dauert)
unwiderruflich in eine ewige
Verdammnis zu geraten ist ja ein horribler Widerspruch zu Gottes Liebe und
widerspricht jedem Gerechtigkeitsempfinden. Eine unendliche
Bestrafung für eine endliche
Verfehlung! Wie man es auch hin und her dreht, reimt dies mit keinem
Gerechtigkeitsbegriff. So kann es einfach nicht sein! (Es sei denn, Gott ist ein
ungerechter Despot, und das ist er nicht… denn wenn er es wäre, könnten wir ihn
nicht als Gott anerkennen). Wir hätten hier sonst ein Theodizeeproblem höherer
Größenordnung … Aus:
Hans Küng et al.: Christentum und Weltreligionen Piper,
München, 1984, S. 335-349 Zitate
mit Antworten und Kommentaren „Ein
einziges Leben oder mehrere Leben? Christliche
Theologen nehmen eine solche Frage gewöhnlich kaum ernst. Mehr als einmal leben,
Re-Inkarnation ... oder Seelenwanderung ... das gilt als kurios und skurril, als
Aberglauben schlechthin. Dabei übersieht man freilich zweierlei: 1.
Nicht nur die Hindus, sondern ein großer Teil der Menschheit glaubt seit
Jahrtausenden an Reinkarnation und Wiedergeburt ...” Ja,
sogar der größere Teil der Menschheit … „2.
Auch im Europa und Amerika von heute gibt es ungezählte Menschen,
die die indische Lehre von Reinkarnation durchaus überzeugend finden ...” Nicht
wirklich die „indische Lehre”, sondern eine westliche Form des
Reinkarnationsglaubens, wie es sie bereits unter den gnostischen Frühchristen
gab. „...
Wegen der verschiedenen anthropologischen Voraussetzungen bräuchte
zwischen Christentum und Hinduismus nicht notwendig Streit herrschen. Denn was
immer man im Einzelnen von der Konzeption des Jīva, der nach hinduistischer
Auffassung ein feinstoffliches Aggregat von Wahrnehmungsbedingungen, das ‚Innere
Instrument’ enthält, und von allen näher damit verbundenen Erklärungsmodellen
denkt: Letztlich entscheiden sind solche Theoreme und Modelle nicht. Denn auch
christliche Theologie hat seit der Antike ihre Rede von Geist und Leib, Seele
und Körper mit unterschiedlichen, höchst komplexen
psychologisch-anthropologischen Modellen verbunden ...” „1.
Nach hinduistischer wie christlicher Auffassung ist der Mensch von Gott ursprünglich
gut geschaffen und mit Freiheit ausgestattet, die ihn gut, aber auch böse
handeln lässt ... Wird durch den Verweis auf ein früheres Leben ... die
Theodizeefrage nicht nur verschoben, statt gelöst? Wird Gott dadurch entlastet,
dass man gegenwärtiges Übel des Menschen als Schuld aus früheren Leben erklärt?
Warum von Anfang an eine Freiheit auch zum Bösen?” Die
Theodizeefrage wird nicht verschoben, sondern aus der Gesamtheit aller
Leben – vergangene, das gegenwärtige und zukünftige – der Seele gelöst.
Die Freiheit des Menschen entlastet Gott, da er nicht für das verantwortlich
ist, wie der Mensch diese Freiheit gebraucht, denn das ist ja auch Teil seiner
Freiheit. Würde die Freiheit nicht die Möglichkeit beinhalten, auch Böses
zu tun, wäre sie eingeschränkt und unvollständig. Wenn aber der
Mensch in seiner Seele aus den Folgen seiner Taten – gute Folgen guter und üble
Folgen übler Taten – lernt, wird er seine Freiheit immer sinnvoller
gebrauchen. „2.
Gibt der Reinkarnationsglaube den Menschen ... durch Verweis auf die Gesamtheit
vieler möglicher Leben nicht wenigstens die gleichen Chancen? ... Kann es nicht
eine Gleichheit der Menschen vor Gott geben, die ... durch Gottes barmherzige
Gerechtigkeit hergestellt wird, welche gute wie böse Taten umgreift? Gottes
definitive Gerechtigkeit also nicht durch ungezählte zeitliche, sondern durch
ein ewiges Leben?” Und
wenn es beides gibt? Übrigens ist unser Leben auch nach dem
Reinkarnationsmodell ebenso ewig, es spielt sich nur in verschiedenen Verkörperungen
ab, bis man das Reinkarnieren überwunden hat. „3.
Die Karman- und Wiedergeburtslehre könnte erklären, warum die moralischen
Anlagen, die Erbanlagen und Umweltbedingungen der verschiedenen Menschen so
verschieden seien und doch die Gerechtigkeit Gottes nicht in Frage stellen. Doch
verfällt solcher Glaube nicht einem geschichtslosen Individualismus [weiter
ungefähr wie oben, Gegenfrage 3].” Siehe
Antwort oben zur Gegenfrage 3, Kommentare zum Buch Ewiges Leben?. „4.
Im Rahmen der Wiedergeburtslehre brauche man keinen Gott als Richter zu fürchten,
hörten wir. Aber der Hinduismus kennt – auf seine Weise – Gericht ... sofern
er an das Karma-Gesetz glaubt ...” Küng
will hier im Karma-Gesetz einen Richter sehen. Eigentlich bedeutet dieses Gesetz
aber, dass der Mensch über sich selbst richtet. „Dies
bedeutet nun seinerseits eine Rückfrage an jene Christen, die auch heute, unter
Androhung der Ewigkeit (im wörtlichen Sinne) einer Höllenstrafe Menschen
einschüchtern und ihnen Angst macht.” ...
eben! „Eine
wahrhaftig moralische Weltordnung setzt auch die Vorstellung eines Lebens nach
diesem Leben voraus [weiter ähnlich wie oben] ... Reinkarnation also zur
angemessenen Vergeltung aller Werke ... ebenso wie zur sittlichen Läuterung des
Menschen! Und
nur nebenbei gefragt: Wird
die christliche Fegefeuerlehre nicht durch ähnliche Gedanken an ein zweites
Leben bestimmt, dem dann gewissermaßen ein drittes (‚ewiges Leben’) folgt,
wenngleich diese ‚Leben’ in überirdischen Regionen angesiedelt sind? Auch
hier sollten wir die Gegenargumente hören: 1.
Verkennt die Forderung nach einem sühnenden Ausgleich ... deren Charakter
gerade ihrer Einmaligkeit ... so dass alles, was einmal versäumt wurde, nie
wiederkehren kann?
...” Diese
Frage wurde bereits oben behandelt. „2.
Wenngleich der Hindu auf dem Weg zur Selbstvervollkommnung ... an einer
positiven Neugestaltung der Welt und der individuellen Zukunft zu arbeiten
vermag: Birgt der Verweis auf weitere Leben nicht doch stark die Gefahr der
Vertröstung in sich, der Legitimierung und Stabilisierung des
gesellschaftlichen Status quo, so dass weniger Anreiz zur Veränderung ... hier
und heute besteht?” Das
mag in der Tat manchmal so aussehen, entspricht aber eher einem Missbrauch
der Karmalehre. „3.
Gibt es nicht Störungen der Weltordnung, die durch keine Tat der Menschen je
wieder rückgängig gemacht werden können …” Auch
diese Frage wurde bereits oben behandelt. „4.
Nach indischer Tradition gibt es die Möglichkeit, sich an frühere Leben zu
erinnern. Heute versucht man, dies mit Hinweis auf das Unbewusste zu stützen,
das ja schließlich auch nicht jederzeit dem wachen Bewusstsein zugänglich sei.
Doch auch im Unbewussten darf nicht vorausgesetzt werden (ein früheres Leben),
was erst zu beweisen ist ... Für behauptete Einzelfälle stellt sich das
Problem der Verifikation.” Auch
das wurde – zum Teil – oben geklärt. Es handelt sich nicht um ein Voraussetzen,
sondern um eine Arbeitshypothese, die als solche wissenschaftlich legitim
ist. „Eine
Integration neuer Lehren in die christliche Tradition kann in der Tat auf keinen
Fall von vornherein ausgeschlossen werden. Nur muss ich auch hier sachlich die Gegenargumente
zu überlegen geben: Vom
christlichen Standpunkt aus wird man ... skeptisch gegenüberstehen: Dass die
menschliche Seele als eine vom Leib unabhängige, von Leben zu leben wandernde
feinstoffliche Substanz zu verstehen sei ... Und was das
Neue Testament betrifft: Es handelt sich bestenfalls um ... volkstümliche
Vorstellungen, wie etwa der Wiederkehr des Propheten Elia. Aber diese meinen
dann nicht etwa die Wiedergeburt ... sondern die Wiederkunft des zum Himmel entrückten
Elia in seinem Leib.” Der
Auffassung von einem Seelenschlaf mit einer nachfolgenden Wiederauferstehung im
wiederhergestellten Leib, wie er einmal war, stehen wohl selbstständig denkende
Menschen noch mehr kritisch gegenüber ... Die Geschichte mit Elia ist eine reine
Interpretationsfrage, jedoch wäre der Wiederkehr seines Körpers vom Himmel her
eine echt fantastische Vorstellung … (theologischer Science-Fiction …). Danach
wiederholt Küng die Diskussion oben von einer Seele nach dem Leib und
einer Seele vor dem Leib. „Geschichte
zirkulär oder zielgerichtet? Der
Hindu glaubt ... an einen zyklischen Ablauf ... für das Individuum nicht endlos.
Vielmehr hat es die Möglichkeit eines letzten definitive Austritts aus dem
Kreislauf ... Die Alternative zum zyklischen Denken ist somit die jüdisch-christlich-islamische
Auffassung von der Geschichte als einem sinnvollen, zusammenhängenden,
weiterführenden, zielgerichteten Geschehen, das von Gott selbst
vollendet wird.” Wie
bereits oben besprochen, verreinigen sich gewissermaßen beide Anschauungen im
Bild von einer Aufwärtsspirale. „1.
Christliche Theologie hat das Leid nie verleugnet, sondern zum Testfall für
Grundvertrauen und Gottvertrauen gemacht, der Menschen zu Entscheidungen
herausfordert.”
Leichtes Theoretisieren von Menschen, die selbst von Leid verschont sind … „2.
Angesichts der überwältigenden Realität des Leides ... hat christliche
Theologie ... dem leidenden, zweifelnden und verzweifelten Menschen eine
alternative Hoffnungsfigur entgegengehalten ... dass dem Menschen über dem
dunklen Abgrund des Leidens und des Bösen eine Hand ausgestreckt wird ...” ...
die den Menschen ins nächste Leben führt … „3.
... Ein neues Gottesbild, eine qualitativ andere Gotteserfahrung ist hier zutage
getreten, die der Frage nach dem Leid noch einmal eine andere theologische
Tiefenschärfe verschafft.” Wenn
es so wohl wäre, dass man sich dann ernsthaft mit der Frage befassen und
endlich eine Lösung des Theodizeeproblems erstreben würde,
statt sie ausweichend eher unter den Teppich zu kehren und sich diffusen Theorien der von Leid
Verschonten hingeben.