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Dieser Text
stellt kurzgefasst die Geschichte der Rückführung dar und behandelt die Auseinandersetzungen
verschiedener Meinungen darüber, inwiefern Rückführungen zu Erinnerungen an
frühere Existenzen führen, oder nicht, auch mit Argumenten unter Hinweis auf
die Bibel und das kirchliche Dogma.
Eine kurze Geschichte
Bei verschiedenen Experimenten mit der Hypnose
beobachtete man bereits im 19. Jahrhundert, dass in gewissen Fällen die
hypnotisierte Person such verhielt, wie wenn sie eine andere Person als heute
wäre, in einer anderen Zeit, in einem anderen Land und manchmal sogar vom anderen
Geschlecht. Da unsere Schulwissenschaft die Existenz einer Seele ablehnt, die
den Tod des Körpers überlebt, und noch mehr die Reinkarnation, fand sie keine
andere Erklärung, als das Phänomen für hypnotische Halluzinationen zu
halten. Einige wenige Personen nahmen jedoch das Phänomen ernster und
untersuchten es näher.
Bereits Anfang der 1850-er
Jahren führte ein Magnetiseur Du Potet durch eine frühe hypnotische Technik
Trance herbei und einige der Versuchspersonen scheinen über frühere Leben
berichtet zu haben.
Ein russischer Prinz Galizin
(wahrscheinlich Nikolai Borisovich Galitzin oder Golytsin, 1794-1866, ein
Cellist, der Beethoven zu seinen letzten Streichquartetten inspirierte und
möglicherweise mit H.P. Blavatsky zu tun hatte), der eine Zeit in Hessen verbrachte,
führte in 1862 mit einer ungebildeten hessischen Frau aus Bad Homburg, die kein
Wort Französisch konnte, ein hypnotisches Experiment durch. Zur Überraschung
der Anwesenden begann sie fließend Französisch zu sprechen und erzählte, dass
sie im 18. Jahrhundert schon einmal gelebt habe. Sie sei die Gräfin Y. in einem
Schloss in Italien (aber scheinbar französischsprechend) gewesen und habe da
ihren Mann unter Umständen umgebracht, die von der Umwelt für einen Unfall
gehalten wurden, und sie habe deshalb als die hessische Frau ein schweres
Leben. Der Prinz fuhr später zum Ort, wo sie sagte, gelebt zu haben, und konnte
die Existenz jener Person bestätigen.
Diese sind Fällen von sozusagen
„akzidentellen Rückführungen”, da es nicht die Absicht des Hypnotiseurs war,
nach Möglichkeit die Person zu einer früheren Existenz zurückzuführen, sondern
das Phänomen trat spontan auf.
Der Erste, der absichtliche
Rückführungen durchführte, scheint der Spanier José María Fernández Colavida
(1819-1888) gewesen zu sein, ein Mitglied der spiritistischen Gruppe “La Paz”
in Madrid. Er berichtete darüber an einem spiritistischen Kongress in Barcelona
in 1888. Ich habe vergeblich versucht nähere Einzelheiten darüber zu erfahren,
u.a. von der Federación
Espírita Española, aber es scheint, dass darüber keine Unterlagen mehr
vorhanden sind. Später berichtete in 1900 der Spanier Esteva Marata an einem
spiritistischen Kongress in Paris darüber, wobei er erwähnte, auch selbst solche
Versuche durchgeführt zu haben.
Ein anderer Pionier auf dem
Gebiet war der französische Oberstleutnant und Spiritist Albert de Rochas
d’Aiglun (1837-1914). Er führte eine Anzahl von Rückführungen in frühere
Leben durch und veröffentlichte das erste Buch zum Thema: Les vies
successives [„Die aufeinanderfolgenden Leben”] (Bibliothèque Chacornac,
Paris, 1911; 2. Aufl.: Leymarie, Paris, 1924; deutsche Übersetzungen: Die
aufeinanderfolgenden Leben, Altmann, Leipzig, 1914 und Gibt es eine
Wiedergeburt?, Baumgartner, Warpke-Billerbek, 195?).
Es ist höchst interessant, dass
Sigmund Freud während einer Phase seines Lebens am Ende des 19. Jahrhunderts
ebenfalls hypnotische Rückführungen durchführte – nicht in frühere Leben, aber
zu einem traumatischen Erlebnis früher im aktuellen Leben des Patienten, das aus
dem Gedächtnis verdrängt worden war. Er behandelte einige Fälle von
größtenteils hysterischer Natur in dieser Weise, mit einem Vorgehen auf einer
Grundlage, die sich nicht viel von der Grundlage heutiger Regressionstherapie
unterscheidet. Später verließ er die Hypnose und entwickelte seine eigene Form
von Psychoanalyse durch freie Assoziation – weitgehend immer noch basierend auf
der Idee, dass ein vergessenes früheres traumatisches Erlebnis im heutigen
Leben die Ursache von späteren Problemen sein könne, und dass es eine
Heilwirkung habe, wenn sich der Patient wieder erinnere.
Der Psychologieprofessor
Theodore Flournoy (ein Lehrer von Carl Gustav Jung) studierte ein merkwürdiger
Fall einer Frau Hélène Smith (ein Pseudonym für Catherine-Elise Müller), die in
Trance von früheren Leben sprach. Er erklärte das Phänomen als Kryptomnesie
(siehe unten).
Ab etwa 1928 bis in die 1940er
Jahre führte ein koptischer Lehrer Asa Roy Martin in Sharon PA, USA,
Rückführungen durch. Er gab im Eigenverlag ein wenig bekanntes Buch über seine
Arbeit heraus: Researches in Reincarnation and Beyond (1942).
Ein weiterer Pionier war der
schwedische Psychiater und Forscher John Björkhem (1910-1963). Er war ein
hervorragender Hypnotiseur und schrieb eine Habilitationsschrift mit dem Titel De
hypnotiska hallucinationerna [„Die hypnotischen Halluzinationen”] (Gleerup,
Lund, 1942), worin er über eine Reihe von Versuchen berichtete, um verschiedene
Arten von „hypnotischen Halluzinationen” hervorzurufen, einige davon durch die
Suggestion: „Gehe zurück zu einer Zeit vor deiner Geburt”. Er vermied jedoch,
eine Erklärung des Phänomens zu bringen und schrieb statt dessen, dass man
dafür noch zu wenig Wissen darüber habe, bezeichnete aber die letztere Art von
Erlebnissen als „Pseudo-Halluzinationen”.
Es wird berichtet, dass Klein
in 1952 eine Anzahl Personen zurückgeführt hat (R.A. Baker: “The Effect of
Suggestion on Past-Lives Regression”, American Journal of Clinical Hypnosis,
Jg. 25, Nr. 1, S. 71-76).
1956 wurde von Henry Blyth ein
Buch veröffentlicht: The Three Lives of Naomi Henry (Fredrick Muller,
London). Zwei der beschriebenen früheren Leben wurden nachgeprüft und
bestätigt.
Arnall Bloxham in England
führte in den 1950er Jahren eine Anzahl bemerkenswerte hypnotische
Rückführungen durch, worüber auch Bücher geschrieben wurden (A. Bloxham: Who
was Ann Ockenden?, Spearman, London, 1958 und Jeffrey Iverson: Reincarnation.
The staggering Evidence of the Bloxham Tapes, Pan, London, 3. Druck 1982).
Der britische Psychiater Denys
Kelsey beschrieb seine Experimente mit Reinkarnationstherapie in einem Buch,
das zuerst in 1967 erschien, Joan Grant und Denys Kelsey: Many Lifetimes
(Victor Gollancz, London, 1970). Es scheint, dass er solche Arbeit bereits in
den 1950er Jahren durchgeführt hat.
Morey (Morris) Bernstein (USA,
1919-1999) erregte die halbe Welt mit seinem Buch The Search for Bridey
Murphy (zuerst in 1956 von Doubleday, New York, und später in mehreren
neuen Ausgaben herausgegeben), worin er den Fall einer amerikanischen Frau
Virginia Tighe (1923-1995, im Buch Ruth Simmons genannt) vorlegte. Sie ging in
mehreren Hypnosesitzungen zurück zu einem Dasein als Bridey Murphy in Irland.
Der Fall wurde von William Barker bei der Tageszeitung Post in Denver
recherchiert, der nach Irland reiste und fast alles bestätigen konnte, was
“Bridey Murphy” in den Sitzungen mit Virginia Tighe erzählt hatte. Jedoch
konnte er ihr Name in keinem Dokument finden. Das Buch ist in jeder nur
möglichen Weise kritisiert worden und Versuche wurden unternommen, um den Fall
als eine Erfindung zu „entlarven”, oder zumindest als ein Fall von
Kryptomnesie. William Barker konnte zeigen, dass diese Bemühungen falsch und
zum Teil sogar auf Lügen basiert waren, womit sie selbst Erfindungen waren
(siehe seinen Beitrag “Bridey’s Debunkers Debunked” [„Brideys Entlarver
entlarvt”] und “The Case for Bridey in Ireland” [„Der Fall für Bridey in
Irland”] in der Ausgabe 1989 bei Doubleday von The Search for Bridey Murphy).
Die Gegner der Reinkarnationsidee halten heute noch ein Buch für das letzte
Wort im Fall: A Scientific Report on “The Search for Bridey Murphy” (hg.
von Milton Kline, Julian Press, New York, 1956). Das Buch erschien kurz nach
der Herausgabe von Bernsteins Buch und ist in keiner Weise „wissenschaftlich”.
Es verfehlt das Ziel, Beweise gegen den Fall zu bringen, und enthält wenig mehr
als eine Reihe von Behauptungen. Trotzdem verweigern sture Anhänger des
letztgenannten Buches spätere Erkenntnisse im Fall anzuerkennen (wie die oben genannten
Berichte von William Barker).
Das Buch von Bernstein wird viele Menschen in der
westlichen Welt dazu inspiriert haben, selbst solche Experimente durchzuführen.
Sie sind zu viele, um hier aufgezählt zu werden. Ab den 1960er Jahren wurden in
wachsender Zahl hypnotischen Rückführungen in den USA, Europa und Australien
durchgeführt und wahrscheinlich auch in anderen teilen der Welt.
Mit der Zeit wurde entdeckt,
dass eine Rückführung ohne Hypnose durchgeführt werden kann und
nicht-hypnotische Techniken entstanden. Heute werden die meisten Rückführungen
nicht-hypnotisch durchgeführt, wozu es mehrere Vorgehensweisen gibt.
Man entdeckte auch, dass eine
Rückführung eine therapeutische Wirkung haben kann, wodurch das entstand, was
man meistens als „Reinkarnationstherapie” bezeichnet. Eine bessere Bezeichnung
ist „Rückführungstherapie” (siehe diesen Abschnitt auf der vorliegenden
Webseite).
Meinungsverschiedenheiten
Man ist geteilter Meinung darüber gewesen, ob eine
Rückführungstechnik hypnotisch oder nicht-hypnotisch ist. Viele Hypnotiseure
wollen beanspruchen, dass das, was als eine nicht-hypnotische Technik bezeichnet
wird, in Wirklichkeit nur eine andere Form von Hypnose wäre. Ich bin nicht
einverstanden. Zunächst bedeutet das griechische Wort hýpnos nun einmal
„Schlaf”. Wird der Klient nicht mehr oder weniger eingeschläfert, sondern sein
Tagesbewusstsein nimmt am Erlebnis Teil, kann man rein definitionsmäßig deshalb
nicht von Hypnose sprechen. Hans ten Dam, der bekannteste Rückführungstherapeut
in den Niederlanden, hat einen hilfreichen Begriff für das Verständnis des
Unterschieds eingeführt. Er spricht von einem „elliptischen Bewusstsein”. Eine
Ellipse hat zwei Brennpunkte. In einer nicht-hypnotischen Rückführung teilt
sich der Brennpunkt und gleitet auseinander. Ein Punkt bleibt im „hier und
jetzt”, der andere stellt sich auf „dort und damals” ein. Der Klient ist
gleichzeitig an beiden Brennpunkten und vergisst nicht, wer er oder sie heute
ist. Spricht man z.B. über ein Auto, versteht er die Frage aber bemerkt dazu:
„Es gab damals keine”. In einer tief-hypnotischen Rückführung ist der
Brennpunkt nicht geteilt, sondern er verschiebt sich von „hier und jetzt” zu
„dort und damals”. Der Klient ist zu 100 % die frühere Person und weiß in der
Rückführung gar nicht, wer er oder sie heute ist. Er versteht die Frage nicht,
falls man über ein Auto fragen sollte, sondern wird verwirrt und sagt, er habe
von so etwas nie gehört. Es gibt natürlich keine scharfe Trennung zwischen
hypnotischen und nicht-hypnotischen Methoden. In einer „Grauzone” dazwischen
fließen sie ineinander. Was man höchstens tun kann, wäre die beiden Methoden
unter einen Überbegriff „veränderter Bewusstseinszustand” zu bringen, aber
gleichwohl blieben darunter die zwei alternativen Untergruppen von hypnotischen
bzw. nicht-hypnotischen Techniken.
Ein anderer Unterschied ist,
dass das Phänomen Xenoglossie, das Sprechen einer Sprache die der Klient heute
nicht kennt, fast nur unter Hypnose auftritt. In einer nicht-hypnotischen Rückführung
verwendet die Person durchgehend die Sprache am Brennpunkt in „hier und jetzt”.
Es kann aber ausnahmsweise geschehen, dass eine nicht-hypnotische Rückführung
spontan pseudohypnotisch wird, und dann kann das Phänomen selten einmal
auftreten.
Ein weiterer Unterschied liegt
im Zeitgefühl. Nach einer hypnotischen Rückführung hat man eher das Gefühl,
„lange weg” gewesen zu sein, nach einer nicht-hypnotischen das Gefühl, das
Ganze habe viel weniger Zeit gedauert, als es tatsächlich der Fall war. Auch erinnert
man sich nach der nicht-hypnotischen Rückführung gut an das Erlebte. Nach einer
hypnotischen kommt nicht selten die sog. posthypnotische Amnesie vor, wenn sie
nicht durch eine Suggestion vorgebeugt wird: „Du wirst dich nachher an alles
erinnern”.
Ein weiterer Punkt, wo sich die Meinungen teilen,
ist, ob das Rückführungserlebnis wirklich mit einem früheren Leben zu tun hat,
oder etwas anderes ist. Viele Gegner, welche den Reinkarnationsbegriff in ihr
Weltbild nicht hineinpassen können, behaupten das Letztere. Eine beliebte
Vorstellung unter ihnen ist, dass es sich um Kryptomnesie handele (von
Griechischen für „verborgene Erinnerung”). Das Erlebnis wäre demnach von Dingen
zusammengesetzt, die der Klient früher im heutigen Leben gehört, gelesen oder gesehen
habe, aber er hatte sie heute vergessen – wobei sie jedoch als Erinnerungen im
unbewussten Ich blieben. Es gibt Fälle, die so erklärt werden könnten, aber
nach meiner Meinung kann man die Mehrheit nicht ohne eine recht ordentliche
Bemühung seiner Vorstellungskraft in jenes „Prokrustesbett” legen. Das
Hauptargument ist die Wirksamkeit der Rückführungstherapie. Gegner beharren
darin, ihre Wirksamkeit zu leugnen, oder sie wollen einfach davon nichts
wissen, aber sei ist eine Tatsche! Wird eine Person von, sagen wir, einer
lebenslangen Höhenangst dadurch frei, dass sie wieder erlebt, wie sie in einem
hypothetischen früheren Leben hinunterfällt und sich totschlägt, wäre es
wirklich sehr weit hergeholt, das durch Dinge erklären zu wollen, die der
Klient früher einmal gelesen oder gehört oder in einem Film gesehen hat! Die
bemerkenswerte und bleibende Befreiung von einer solchen Phobie kann einfach
nicht durch die Behauptung von nur Fantasie oder Kryptomnesie erklärt werden.
Die hypothetische Erklärung „Fantasie” wird von
einer großen Zahl von Fällen widersprochen, in welchen die Existenz der
„früheren Person” bestätigt wurde. Die Hypothese von Kryptomnesie (siehe oben)
führt auch zu Widersprüchen. Wenn es so wäre, würde die „frühere Person” nicht
selten jemand sein, der oder die noch lebte, als der Klient ein Kind war (oder
heute noch lebt), aber es handelt sich immer um eine vor der Geburt vom Klienten
gestorbene Person.
Eine weitere Hypothese ist,
dass die „frühere Person” ein Vorfahr und dass die Information genetisch
übertragen wäre. In dem Fall würde man oft die „frühere Person” als ein Vorfahr
identifizieren können, weil das in den meisten Fällen nicht schwierig wäre. Das
geschieht aber so selten, dass man in einem solchen Fall eher annehmen kann,
dass es um eine Reinkarnation in der gleichen Familie geht. Außerdem könnte die
„Vorfahrerinnerung” nur bis zu einem Punkt fortsetzen, an dem jener Vorfahr ein
Kind zeugte, da ja in dem Moment der Stammbaum abzweigt. Aber die Erinnerung
setzt immer bis zum Tod und zum Seelenzustand danach fort. Die Hypothese
versagt natürlich, wenn jener Vorfahr nie ein Kind hatte und somit einen
„Sackzweig” auf dem Stammbaum war. Man mag sich auch fragen, wozu die Natur
auch noch völlig bedeutungslose Information an spätere Familienmitglieder
übertragen würde, welche die kostbare aber begrenzte genetische
Speicherkapazität unnötig besetzen. Noch ein Widerspruch ist, wenn jemand vor
vielleicht nur 50 Jahren in einer völlig anderen Rasse auf einem anderen
Kontinent gelebt hat. Da gibt es keine genetische Verbindung.
Eine Hypothese, die von
religiösen Gegnern vorgelegt wurde, ist, dass der Klient von der Seele einer
verstorbenen Person „besessen” sei. Das ist absurd, weil wir dann fast alle
„besessen” wären. Die Rückführung gelingt nämlich in mindestens 90 % der Fälle.
Eine Strategie der Gegner, wenn
ums um die Bestätigung der Existenz der „früheren Person” geht, ist die
folgende. Werden keine Daten gefunden, welche die Existenz bestätigen, hat jene
Person „offensichtlich” nicht existiert. Werden aber solche Daten gefunden,
„kann es nur sein”, dass die heutige Person die Angaben aus solchen Quellen hat.
Die andere Alternative wird in ihre Überlegung nicht zugelassen, nämlich dass
die Daten die von ihnen nicht erwünschte Existenz tatsächlich belegen …
Wie bereits hervorgehoben wurde, versagen alle
diese Hypothesen darin, die Wirksamkeit der Rückführungstherapie erklären zu
können. Die Diskussion oben schließt nicht aus, dass eine der Hypothesen im
einen oder anderen seltenen Fall zutreffen könnte, aber nicht allgemein.
Noch eine Hypothese ist, dass das
Rückführungserlebnis nur symbolisch wäre. Das kommt tatsächlich in einer
Minderheit der Rückführungen vor. Es gibt Methoden, um das unbewusste Ich vom
Klienten zu befragen, ob das Erlebnis symbolisch war, oder nicht. Es kann
natürlich nicht symbolisch sein, wenn die Existenz der „früheren Person”
bestätigt wurde. Ein Symbolerlebnis könnte durch psychologische Mechanismen
möglicherweise zu einem gewissen Teil die Wirkung der Rückführungstherapie
erklären, aber eine solche Erklärung wäre ein gutes Stück weiter hergeholt, als
die einfache Erklärung der Reinkarnation, nach welcher die Seele des Klienten
jene Erfahrung in der Vergangenheit tatsächlich durchgemacht hat, die sich als
„Urtrauma” der aktuellen Problematik herauszustellen scheint, welche den Klient
heute belastet.
Es gibt eine andere Art von psychologischem
Problem im Zusammenhang mit solchen Hypothesen: Der Widerstand dagegen, etwas
anzuerkennen, das eine Änderung des eigenen vorgefassten Weltbildes verlangt –
sei es aus religiösen Gründen oder aus wissenschaftlichem Vorurteil heraus.
Es ist schon verständlich, dass
wenn jemand sein ganzes Leben und vielleicht sogar eine akademische Karriere
auf eine besondere religiöse Doktrin gebaut hat, wird er bis zum bitteren
Ende gegen die Anerkennung von Fakten kämpfen, wenn diese den eigenen
religiösen Begriffen zu widersprechen scheinen. Man befürchtet, dass der eigene
„Elfenbeinturm” zerbröckeln könne. In der gleichen Weise befürchtet ein angesehener
Wissenschaftler seinen Ruf zu verlieren, wenn er nicht nur die Reinkarnation
leugnet, sondern auch die Existenz einer Seele, die den Körper überlebt. Die
wissenschaftliche Usance verlangt eine solche Haltung.
Diesen Eindruck erweckt nicht
zuletzt die Schulpsychologie mit ihrer Einstellung zur Rückführungstherapie,
jedenfalls, wenn sie zu hypothetischen früheren Leben führt. Rückführungen in
die Kindheit werden schon mit Vorsicht und Misstrauen betrachtet, weil der
nächste Schritt in die Vergangenheit so nahe liegt.
Widersprüche oder Indizien in
der Bibel?
Verschiedene Bibelstellen sind als angebliche
Widersprüche gegen die Reinkarnation und die Vorexistenz der Seele angegeben
worden. Der gewöhnlichste Einwand ist in Hebr. 9,27: „Und wie den Menschen ist
gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.” Hier wurde das
griechische Wort hapax als „einmal” übersetzt. Das ist aber nicht die
einzige mögliche Übersetzung. Wörterbücher lehren uns, dass es auch als „noch
einmal”, „ein für alle Mal”, „ein letztes Mal” und noch einige andere Dinge
übersetzt werden kann. Wählt man eine solche, sprachlich richtige, Übersetzung,
schwindet der Widerspruch und wird möglicherweise eher eine leise Stütze für die
Reinkarnationslehre. Mehr hierüber in dieser Studie.
In meinem Buch Reinkarnation,
Christentum und das kirchliche Dogma (siehe Abschnitt „Bücher”) habe ich
solche und andere Fragen ausführlich behandelt. Hier will ich nur eine
bemerkenswerte Stelle aufgreifen: Jesu Gespräch mit Nikodemus.
Jesus sagte: „Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde,
kann er das Reich Gottes nicht sehen”. Nikodemus fragt ihn: „Wie kann ein
Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wiederum in seiner
Mutter Leib gehen und geboren werden?” (Joh. 3,3-4, vgl. Joh. 3,7). Nikodemus
versteht also nicht, dass es eine neue Mutter sein müsste. In modernen
Bibeltexten wird Jesus wie folgt zitiert: „… Es sei denn, dass jemand von oben
her geboren werde …”, was die Theologie wie folgt erklären will. Das griechische
Wort anothen bedeutet beides. Jesus soll „von oben her” gemeint und
Nikodemus ihn als „von Neuem” missverstanden haben. Das ist ein
offensichtlicher Unsinn, weil sie nicht Griechisch sprachen! Sie sprachen
Aramäisch! Die aramäische Sprache hat kein doppeldeutiges Wort, das hier passen
würde, aber ein eindeutiges Wort mille’ela, das „von oben her”
bedeutet, und ein ebenfalls eindeutiges Wort tanejanut, das „wieder,
noch einmal, von neuem” bedeutet. Von einem Missverständnis kann also keine Rede
sein und Nikodemus’ Antwort weist darauf hin, dass Jesus das letztere Wort
verwendet hat.
Man mag auch fragen, was wohl
„von oben her geboren” bedeutet. Sind etwa einige von uns „von unten her”
geboren? Vielleicht sogar einige hohe Kirchenleute …?
Ein wenig später im Text folgt
eine merkwürdige Äußerung: „Der Wind bläset, wo er will, und du hörest sein
Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er
fähret. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist” (Joh. 3,8).
Wer kann das verstehen? Das griechische Wort pneuma wurde hier zweierlei
übersetzt, erst als „Wind”, dann als „Geist”. Griechische Wörterbücher erklären
uns, dass die Übersetzung als „Geist” nur im „übertragenen Sinn” gilt. Die
übliche Bedeutung in theologischen Zusammenhängen ist aber „Lebenshauch” oder
„Seele”, das, was den Körper lebendig macht. Außerdem ist das Wort phoné
nicht gut mit „Sausen” übersetzt, sonder es bedeutet eher „Stimme”. Somit
kommen wir zur folgenden Übersetzung, die sprachlich richtig ist: „Die Seele
geht, wie sie will, und du hörst wohl ihr Flüstern; aber du weißt nicht,
woher sie kommt, noch wohin sie geht. So ist es mit jedem, der mit einer Seele
geboren ist”. Hier spricht demnach Jesus über die Vorexistenz der Seele, denn
sie kommt ja von irgendwo her, wo sie vor der Empfängnis war. Vorexistenz
bedeutet nicht automatisch Reinkarnation, aber Reinkarnation setzt Vorexistenz
voraus.
Diese Beispiele zeigen, wie
Übersetzungen oft nach dogmatischen Vorgaben gemacht werden, welche das
Verständnis in eine gewünschte Richtung steuern sollen, wodurch verdunkelt
wird, dass man es auch anders verstehen kann – aber das sollten wir nicht
wissen.
Das Weltbild der christlichen
Gnostiker
Es gab zwei Hauptströmungen im frühen Christentum:
Die paulinischen und die gnostischen Christen. Beim Konzil in Nicaea in 325
n.Chr. legte Konstantin die Grundlage der gegenwärtigen Form der Kirche. Er hat
dies offensichtlich eher gemacht, um sie als ein brauchbares Werkzeug für seine
Macht zu haben, und viel weniger als ein hingegebener Gläubiger. Die Dokumente
vom Konzil sind unvollständig. Wichtige Teile gingen verloren. Man weiß aber
[1], dass er den gnostischen Christen verweigerte, ihre Ansichten vorzutragen,
und dass er ihre Anträge und Bittschriften ungeöffnet dem Feuer übergab. Von da
ab galt das gnostische Christentum als Ketzerei.
Die esoterische Literatur will
behaupten, dass der Reinkarnationsglaube vom Konzil verboten wurde, aber dafür
gibt es keine Belege. Es wurde nur den gnostischen Christen keine Chance gegeben,
ihre Vorstellung darüber darzulegen.
Eine Einstellung und Strategie,
besonders in der deutschen Theologie, ist gewesen, der Gnostizismus als eine
Mischung von Christentum mit früheren gnostischen Philosophien zu betrachten,
womit sie nicht echte Christen seien. Die religionsgeschichtliche Forschung hat
aber dieses Bild verändert und es ist heute anerkannt, dass es keine Grundlage
für die Behauptung von einem vorchristlichen Einfluss gibt. Dies wird in einer
monumentalen deutschen theologischen Enzyklopädie dargelegt [2]. Deshalb muss
man heute die Gnostiker als eine frühe Form von Christentum betrachten,
parallel zu den paulinischen.
Einer der bedeutendsten
gnostischen Christen war Origenes (185-253 oder 254). Die Kirche behauptet,
dass er ein Gegner der Reinkarnationslehre gewesen sei, hat sich aber selbst
die Grundlage einer solchen Behauptung entzogen, da sie im 6. Jahrhundert seine
Originalschriften in Griechisch verbrennen ließ. Was uns übrig geblieben ist,
sind nur lateinische Übersetzungen von Rufinus und Teile von lateinischen
Übersetzungen des Hieronymus. Der Wichtigste dieser Text in diesem Zusammenhang
ist Perì archon. Beide Übersetzer erklären in ihren Vorworten, dass sie
das Werk nach dem Dogma „angepasst” und „anstößige” Stellen entfernt haben. Es
kann keinen Zweifel darüber geben, dass, falls Origenes positiv über die
Reinkarnation geschrieben hat, sie in ihrer Zensur diese Stellen geändert oder
entfernt haben. Man kann deshalb nicht aus den vorliegenden Texten schließen,
dass Origenes ein Gegner der Reinkarnationsidee gewesen sei. Ihm wurde, im
Gegenteil, von zeitgenössischen Kritikern vorgeworfen, sie zu lehren, so wie
viele gnostischen Christen vor ihm.
Das Weltbild der gnostischen
Christen ist, dass wir alle einmal Engelwesen in Gottes Lichtwelt waren und vom
Anfang an existierten. Einige von uns entwickelten ein Verlangen nach
Erfahrungen, die in Gottes Welt nicht möglich sind, wie den freien Willen auch
gegen den Willen anderer auszuleben, was die Harmonie in jener Welt stören
würde. Aber da uns Gott diesen freien Willen gegeben hat, hat er deshalb neue
Welten für diese Wesen erschaffen, worin sie solche Erfahrungen machen konnten.
Es entstand eine Hierarchie von neun Engelebenen, unter welchen die physische
Welt der Menschen als 10. Ebene liegt und zuletzt eine 11. Ebene, die Ebene von
Dämonen und Widersacher. Jene Wesen, die zur Ebene der Menschen fielen,
wurden zu Seelen und „in Körper versetzt wie in Gefängnisse”.
Was geschieht dann, wenn ein
Mensch stirbt? Nach Origenes würde er – wenn er nur gut genug war – zur
untersten Ebene in der Engelhierarchie emporsteigen, wo er ohne einen
physischen Körper sein würde. Er würde natürlich auf der „Jakobsleiter” der
weiteren Engelebenen weitersteigen, bis er in einer endgültigen Auferstehung
wieder zu Gottes Welt zurückkehrt. Diejenige aber, die schlecht genug waren,
können auf die unterste Ebene fallen, die von Dämonen und Widersacher, die
offensichtlich eine Form von Hölle ist, jedoch nicht für eine ewige Verdammnis,
sondern nur solange wie benötigt, um zu Einsicht, Umkehr und Reue zu kommen.
Hier fällt durch ihre
Abwesenheit eine dritte Alternative auf. Was geschieht mit denjenigen – mit der
großen Mehrheit der Menschen – die weder gut genug sind, um eine Stufe höher zu
steigen, noch schlecht genug, um auf die unterste Ebene zu fallen? Das wird in
den heute noch vorhandenen Versionen von Perì archon nicht erwähnt. Eine
der besten Übersetzungen jenes Buch in eine moderne Sprache [3] wurde von zwei
deutschen Professoren gemacht, die nach Möglichkeit bemüht waren, verloren
gegangene Stellen von anderen Quellen her zu rekonstruieren. Wo es diese Frage
betrifft, bemerken sie, dass Origenes eine größere Abhandlung über die Seele
geschrieben habe, die uns verloren gegangen ist. Darin wird er die Antwort
gegeben haben, und die Einzige, die in das Schema passt, ist diese: Sie werden
wieder Menschen, also die Reinkarnation. Das wird der Grund sein, weshalb der
Text verloren gegangen ist; er wird von der Kirche zerstört und uns
„wegzensiert” geworden sein.
Literaturhinweise:
Charles Joseph
Hefele und „Ein religiöser Benediktiener” (nicht namentlich genannt): Histoire
des Conciles [Geschichte der Konzilien], Letouzey et Ané, Paris, Bd.
1, 1907.
Theologische
Realenzyklopädie, hg. von Gerhard Müller, Bd. XIII, Walter de
Gruyter, Berlin, 1984.
Origenes: Vier
Bücher von den Prinzipien, übersetzt von Herwig Görgemanns und
Heinrich Karpp, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2. Aufl.
1985.
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